Unfallverhütung bei Kindern
Wer kleine Kinder hat, der weiss, dass in diesem Alter kleinere Unfälle zur Tagesordnung gehören. Die Kreativität des Unfugs, mit dem sich Kleinkinder tagtäglich in Gefahr bringen, ist manchmal schwindelerregend. 🤯
“Unfall” und “Unfallverhütung” sind natürlich sehr weit gefasste Begriffe.
Das fängt mit der Beule am Kopf an, wenn die Kleinen zu krabbeln beginnen und setzt sich mit blauen Flecken an diversen Körperstellen in dem Masse fort, in dem sich die motorischen Fähigkeiten entwickeln.
Nur ein Kind, das sich mehrmals den Kopf gestossen hat, als es unter dem Tisch plötzlich aufstehen wollte und weiss dass des weh macht, kann aber in Zukunft diese Gefahr besser einschätzen.
Wer beruflich oder privat mit Kindern zu tun hat, kennt die Fülle an verschiedenen Verletzungen und die sehr variierenden Schweregrade.
Da gibt es einnerseits die ruhigen und zurückhaltenden Kinder, die nur ohne Hilfe laufen wollen, wenn sie 1000 Prozent sicher sind, dass ihr Gleichgewicht das zulässt.
Sie ziehen es vor, zuerst andere Kinder zu beobachten und sie sind die Letzten, die auf die große Rutsche gehen oder einfach irgendwo hochklettern.
Und dann gibt es die anderen Kinder… für diese Kinder ist Angst ein Fremdwort. 🤪Auch wenn sie wie Betrunkene laufen und alle 2 bis 3 Schritte sofort hinfallen, können sie gar nicht schnell genug wieder aufstehen und weiterlaufen.
Solche Kinder laufen auch ohne zu schauen auf die Strasse und erklimmen die unmöglichsten Höhen und Stellen. Unzählige von diesen kleinen Abenteurern sind zu mir in die Praxis gekommen, um sich den Gips entfernen zu lassen. Ich empfehle ihren Eltern oft, unbedingt diese Kids in einen Sportverein einzuschreiben, wo sie sich an mindestens 4-5 Tagen pro Woche austoben können - all diese Energie muss ja irgendwo hin! 🔋🔋🔋
Die grössten Unfallgefahren für Kinder zu Hause
Auf diese möchte ich mich hier konzentrieren.
Wenn Du so einen Kinderkatalog durchblätterst, findest Du alle möglichen Accessoires unter “Unfallverhütung”. So viele, dass sich fast Eltern verschulden müssen, um alles zu aquirieren, was da als “unerlässlich” angepriesen wird.
In den Ohren mancher Eltern mag das extrem klingen, aber es ist meiner Meinung nach unmöglich, jeden kleinen Unfall zu verhindern.
In Wirklichkeit brauchen wir nur sehr wenig von all diesem Sicherheitszubehör.
Als unsere eigenen Kinder noch klein (…also im Unfallalter) waren, lebten wir in einer Altbauwohnung.
Unsere EINZIGEN Kindersicherungen waren damals:
Steckdosensicherungen
Fenstersicherungen (Wir haben im 4. Stock gewohnt, die Fenster liessen sich einfach öffnen und Balkon gab es keinen! Den Sturz hätte kein Kind überlebt.)
Schwere Regale haben wir alle an der Wand befestigt (ein umkippendes Bücherregal kann ein Kleinkind töten oder zumindest schwer verletzen).
Soweit, so gut. Mehr als das haben wir nicht gekauft.
In einer mehrgeschossigen Wohnung/Haus hätten wir noch eine kleine Tür für die Treppe geholt.
(Natürlich gab es noch andere Sicherheitsmassnahmen, die ich weiter unten beschreiben werde. Diese waren aber allesamt kostenlos.)
Welche Unfallverhütung ist im Kindesalter sinnvoll?
Am besten schaust Du Dich erst einmal in Deiner Wohnung um.
Nützlich zu wissen ist, dass 80% aller Unfälle im Kleinkindesalter in Innenräumen auftreten. Ist ja auch klar 🤷🏻♀️, verbringen doch die Kleinen den grössten Teil ihrer Zeit drinnen. Insofern wird die Zahl schon stimmen.
Auf keinen Fall will ich Dir damit aber Angst einjagen.
Wie Du sicher schon verstanden hast, geht es mir nicht darum, die vielen Beulen zu verhindern, sondern die Unfälle mit irreparablen Folgen.
Schauen wir uns das also mal der Reihe nach an - immer mit der Vorsorge im Auge.
Stürze von Treppen, Balkonen, Fenstern
Stelle sicher, dass Dein Kind keinen (!) Zugang hat und nicht herunter- oder hinausfallen kann. Auch nicht, wenn es auf einen Stuhl, Hocker oder auf ein Spielzeug klettert.
Beim Spielen und bei kleineren Entdeckungreisen kann es, bevor Du Dich versiehst, zu einem Unfall kommen.
Es ist wichtig, Dich in dieser Hinsicht immer sicher zu fühlen, auch wenn Du gerade mal nicht direkt neben Deinem Kind stehst.
Umstürzende Möbel
Besonders hohe und interessante Möbel wie Bücherregale oder Kommoden, aber auch der Fernseher sollten gut an der Wand befestigt oder anderweitig gesichert werden.
Kleinkinder wollen hinaufklettern und die Möbel fallen um und begraben sie unter sich. Das passiert häufig innerhalb von Sekunden, auch im Beisein der Eltern.
Vergiftungen durch Medikamente & Zigaretten
Zigaretten und Medikamente sollten unter keinen Umständen, weder innerhalb noch ausserhalb des Hauses, kleinen Kindern zugänglich sein.
An die Medikamente denkt man, an die Zigaretten häufig nicht und ich sehe solche Fälle zu Hauf.
Klassischerweise nimmt das Kleinkind eine Zigarette aus der Schachtel oder findet eine Kippe und kaut darauf herum bzw. schluckt sie runter.
Vielleicht findet es auch Oma’s Gute-Nachttabletten (also: Schlaftabletten) im Nachttisch …😫genau auf seiner Höhe!
Oder das Kind findet eine Flasche mit leckerem Sirup und trinkt sie aus.
Getreu der Devise “aus den Augen, aus dem Sinn”, sollten Zigaretten und Medikamente Kindern nicht zugänglich sein und so verstaut werden, dass sie weder sichtbar noch erreichbar sind.
Einen Artikel zum Thema “Medikamentensicherheit” findest Du hier.
Wenn Medikamente in Gebrauch sind, dann lasse sie auch nicht in Reichweite der Kinder. Da reicht schon ein kurzer Augenblick der Unaufmerksamkeit, und das Kind hat schon die halbe Sirupflasche ausgetrunken!
Kindersichere Verschlüsse sind nicht immer so sicher. Manchmal haben Erwachsene grössere Probleme diese zu öffnen, als Kinder!
Vergiftungen durch Reinigungsmittel
Solche Vergiftungen kommen seltener vor, als die mit Medikamenten oder Zigaretten.
Eigentlich muss ich dazu nicht viel sagen. Alle Reinigungsmittel sollten in einem verschlossenen Schrank oder einfach nicht zugänglich sein, z.B. auf dem höchsten Regal im Wandschrank.
Verbrennungen und Verbrühungen
Küchenherd, Kochtopf und Kamin ziehen Kinder wie Magnete an, besonders wenn die Mami häufig damit zu tun hat. 😮
Trotz des medizinischen Fortschrittes durch z.B. Hauttransplantationen können Verbrennungen und Verbrühungen nach wie vor tödlich enden.
Hier ist nach meinem Dafürhalten die Abschreckung, auch wenn Dich das vielleicht schockiert.
Das Kind muss einen Heidenrespekt vor Küchenherd & Co. haben!
Anstatt also die neugierigen Kleinen immer von allem Heissen fernzuhalten, ist es bei besonders dickköpfigen Abenteurern zielführender, sie die Herdplatte oder den Kochtopf kontrolliert berühren zu lassen.
Ja, das tut WEH und hinterlässt manchmal eine kleine Verbrennung, die noch ein paar Tage länger weh tut und das Kind daran erinnert, wie böse der Herd war.
Leider vergessen Kleinkinder häufig schnell wieder solche Ereignisse und probieren es vielleicht auch noch ein- oder zweimal, aber danach haben sie ihre Lektion gelernt.
Das klingt hart in manchen Ohren.
Ich habe allerdings einige Fälle gesehen, in denen den Kindern immer wieder lediglich gesagt wurde, dass etwas “heiss” ist, ohne das sie diese unangenehme Erfahrung selbst machen konnten. Und dann haben sie halt den Kochtopf mit den Nudeln vom Herd gezogen und schlimmste Verbrennungen erlitten - just in dem Moment, als es an der Tür klingelte und Mami kurz weg war.
Es braucht nur ein einziges Mal passieren und dann ist der Schaden irreversibel, Bilder von solchen Horrorgeschichten findest Du z.B. HIER. (Vorsicht nur, sie machen uns allen im Herzen weh, allein schon beim zuschauen). 😭 😓
Ertrinken und Beinahe-Ertrinken zu Hause
Kleine Kinder können schon in wenigen Zentimeter hohem Wasser ertrinken.
Sie reagieren nicht wie Erwachsene. Mit dem Gesicht im Wasser verlieren Kleinkinder oft komplett die Orientierung und wissen nicht mehr, wo oben und unten ist.
Ich kenne einen Fall, in dem ein 18 Monate altes Kind in der Badewanne ertrunken ist, als es gerade mit seinem 3 oder 4 Jahre alten Geschwisterchen am Spielen war. Der Vater war nur schnell weg, um ans Telefon zu gehen.
Keiner hat etwas gemerkt und in der Wanne waren nur etwa 20 Zentimeter Wasser. Leider hat das ausgereicht.
Drei bis vier Minuten Atemstillstand sind leider schneller vorüber, als man denkt und ältere Geschwister ersetzen NICHT die Aufsicht durch einen Erwachsenen.
Nochmals, ich will hier Panik schüren.
Ich will nur Deine Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die wirklichen Gefahrenquellen nicht die Tischkanten oder Schranktüren sind, auch wenn man sich dort mal eine Beule holen oder einen Finger quetschen oder gar brechen kann.
Solche Verletzungen sind nicht bleibend, auch wenn es in diesem Moment einen Gips oder eine Hautnaht braucht.
Letztlich sind diese Verletzungen aber unbedeutend im Vergleich zu dem, was einige Zentimeter Badewasser oder ein paar vergessene Zigaretten anrichten können!