Dr Kemper CH

View Original

Warum und wie Kinder Dreck essen sollten

In einer längst vergangenen Zeit, da gab es keine Kühlschränke und trotzdem konnte man Lebensmittel haltbar machen. Sie wurden vergraben (Karotten, Kartoffeln), eingekocht oder auch vergärt. Heute ist unser Essen so gewaschen und sterilisiert, dass kaum Mikroorganismen mehr unseren Mund erreichen. Aber muss das wirklich so sein? Und wie gut ist das eigentlich für unsere Gesundheit?

Warum sollten Kindern täglich Erde essen?

Einerseits liest man über die Gefahren einer sterilen Umgebung, andererseits wird einem durch fleischfressende Bakterien Angst gemacht. Wieviel Erdkontakt sollten Kinder haben?

Soweit wir heute wissen, sollten Kinder sehr viel draussen sein und mit ihrer Umwelt in Berührung kommen, solange Eltern ihren gesunden Menschenverstand nutzen.

Training für das Immunsystem

Ein Gramm Erde enhält mehr als eine Billion Mikroorganismen und diese braucht dein Kind als “Training”, um später die wirklich gefährlichen Bakterien erfolgreich abwehren zu können.

Das Immunsystem muss wie ein Muskel ständig trainiert werden, damit es fit bleibt. Eine ständige Auseinandersetzung mit Mikroorganismen hilft auch, damit spezielle Gruppen von weissen Blutkörperchen in Balance bleiben. Ansonsten fängt es an, Unsinn zu machen und es entstehen Allergien und die sogenannten Autoimmunerkrankungen, von denen wir heutzutage genügend haben.

Ein wenig Dreck am Tag, mit dem Doktor
kein Plag!

Der Umstand, dass Kinder Erde essen, setzt voraus, dass sie regelmässig an der frischen Luft sind. Das allein ist von unschätzbarem Wert für die Gesundheit deines Kindes im Vergleich zu Sofa und Tablet.

Die Chance hingegen, sich durch die Aufnahme von Erde mit der Nahrung eine Infektion zuzuziehen ist verschwindend gering. Die meisten Komponenten der Erde sind unter medizinischen Gesichtspunkten unbedenklich.

Noch etwas zum Schmunzeln… 😉

Wer natürlich in seinem Garten regelmässig Pestizide versprüht, der sollte seine Kinder tatsächlich nicht dort spielen lassen. Das gleiche gilt, wenn viele Haustiere den Garten als Toilette benutzen.

Weniger Allergien

Die regelmässige Aufnahme auch kleinster Mengen Erde kann dein Kind gegen Allergien schützen. Eine Studie besagt, dass Kinder die Nägel beissen oder Daumen lutschen (und damit regelmässig Bakterien aufnehmen) weniger Staub- oder Tierallergien haben.

In einer Studie auch Deutschland, der Schweiz und Österreich werden die Gefahren aufgezeigt, welche übermässige Sauberkeit für unsere Kinder haben kann und wie gut es für sie ist, regelmässig auch Kontakt zu Tieren zu haben.

Darin wurde Kinder im Altern von 6 bis 13 Jahren untersucht, die auf dem Land und in der Stadt aufwuchsen. Kinder, die regelmässig im Stall unterwegs waren, hatten dabei weniger häufig Asthma, Heuschnupfen oder Neurodermitis. Das alles sind immunsystem-assoziierte Erkrankungen, die man z.B. in Dritteweltländern fast nicht kennt.

Eine weitere in den USA durchgeführte Studie ergab, dass unter Kindern, die regelmässig mit Tieren Kontakt hatten, zu 7% Allergien entwickelten. Im Vergleich dazu betrug die Quote der Kinder mit Allergien 33%, wenn sie keinen Kontakt zu Tieren im Stall hatten.

Wie bekommt dein Kind seine tägliche Portion Erde?

Einfach mal… so essen!

Aus dem eigenen Garten kann man die Karotten oder anderes ungespritzes Obst und Gemüse auch einfach mal so essen. Die Karotte muss man vielleicht ein wenig abwischen oder etwas Wasser drüberlaufen lassen, aber das war’s dann auch schon. So nimmt dein Kind pro Portion bis zu 500mg Erde ein (500mg sind ja nur ein halbes Gramm).

Wenn ich mich recht besinne, habe ich als Kind die geklauten Äpfel aus Nachbars Garten auch nicht erst gewaschen!

Ob gekauftes (Bio-)Gemüse und Obst ungespritzt ist, kann man nicht sicher sagen.

Ich hoffe es einfach immer und wasche es einmal ab. Bei Wurzelgemüse ist das natürlich kein Thema. Generell mache ich mir weniger Gedanken über die Pestizide, die AM Gemüse sind, sondern mehr über diejenigen, die IM Obst/Gemüse und IM Wasser sind.

Draussen spielen lassen

Wenn Kinder draussen spielen, dann konsumieren sie etwa 500mg Erde pro Tag. Das klingt nicht nach viel, enthält aber mehr Mikroorganismen als unsere Erde Bewohner hat!

Ein Haustier haben

Wie die beschriebenen Studien gezeigt haben, ist der Kontakt zu Tieren mit einer geringeren Häufigkeit von Allergien und auch Asthma verbunden. Sie bringen auch jede Menge Dreck mit nach Hause 😅.

Das ist nur ein Vorteil eines Haustieres. Meine Kinder sind viel ausgeglichener, seitdem wir unseren kleinen Hund haben. Er ist immer da zum Trost spenden und Liebe geben. Auf diese Weise sind sie auch nie allein.

Falls ihr kein Haustier haben könnt oder dürft, dann kannst du vielleicht mal in der Nachbarschaft fragen oder einen Aushang machen. Eventuell gibt es Nachbarn, die ein wenig Hilfe mit ihrem Haustier benötigen (z.B. Gassi gehen, in den Ferien bei sich zu Gast haben statt Hundehotel etc.).

Schwimmen im See oder im Meer

Auch im Wasser gibt es jede Menge Mikroorganismen, die unserem Körper guttun. Wenn Kinder am Wasser spielen, kann das besonders im Falle von Salzwasser durch das Zusammenspiel von Sonne und Salz für Hauterkrankungen von Vorteil sein.

Mindestmaß an Unsauberkeit

Wenn du alles oben beschriebene nicht umsetzen kannst, dann ist das trotzdem kein Beinbruch. Nutze einfach weniger Desinfektionsmittel und aggressive Reinigungsmittel.

Es gibt sogar Reinigungsmittel, die nützliche Mikroorganismen enthalten.

Am besten, du beginnst damit direkt nach der Geburt!

Trotzdem den gesunden Menschenverstand nutzen

Natürlich sollte sich dein Kind nach dem Spielen immer noch die Hände waschen. Es hat beim Spielen bereits seine tägliche Dosis abbekommen. Es reicht aber, die Hände einfach zu waschen.

Das Desinfizieren der Hände ist nicht notwendig!

Natürlich solltest du nicht zulassen, dass dein Kind Katzendreck oder Käfer isst.

Gleichzeitig musst du aber auch nicht solche Angst haben, dass sich dein Kind etwas einfangen könnte. 2016 lag in den USA das Risiko, durch einen Sturz zu sterben, bei 1 zu 119. Das Risiko, vom Blitz erschlagen zu werden lag bei 1 zu 114195 und das Risiko an einer Infektion mit fleischfressenden Bakterien zu sterben, hat es nicht einmal auf die Liste geschafft.