Fieberkrämpfe im Schlaf bei Kindern
Was muss ich über Fieberkrämpfe wissen?
Fangen wir am besten damit an, was Fieberkrämpfe sind und wie Du sicher sein kannst, dass es sich um einen Fieberkrampf handelt.
Ein Fieberkrampf ist eine unwillkürliche Bewegung der Muskeln (also gegen den Willen des Kindes), die durch einen Anstieg der Körpertemperatur verursacht wird.
Man beobachtet in aller Regel dass sich Arme und Beine sich rhythmisch bewegen. Diese Bewegung lässt sich nicht unterdrücken, wenn die Eltern z.B. die Hand ihres Kindes festhalten. Das Kind ist mindestens für ein paar Minuten bewusstlos. Es reagiert also weder auf unsere Stimme, noch auf andere Reize, spricht nicht und schaut uns nicht an.
Vorsicht: Eltern verwechseln oft das starke Zittern bei Fieber (Schüttelfrost) mit einem Fieberkrampf. Wenn also Dein Kind Dich anschaut oder Dich umarmt, spricht, trinkt usw., dann ist es bei Bewusstsein und hat keinen Fieberkrampf.
Ist ein Fieberkrampf eine Art Epilepsie?
NEIN. Ein Fieberkrampf kann aber leicht mit einem epileptischen Anfall verwechselt werden, da das Kind in beiden Fällen das Bewusstsein verliert und es zu rhythmischen Bewegungen der Gliedmassen kommt.
ABER… eine Epilepsie ist eine Krankheit des Nervensystems, bei dem das Gehirn in grosser Menge krankhafte Signale aussendet. Eine Epilepsie wird nicht allein durch Fieber verursacht. Kinder mit einer bekannten Epilepsie haben zwar mehr Krämpfe, wenn sie krank sind oder Fieber haben, weil sie in solchen Zeiten etwas “instabiler” sind. Aber die Epilepsie haben sie so oder so.
Kinder, welche “nur” Fieberkrämpfe bekommen, sind krampffrei kein Fieber haben.
Im Kindesalter ist das sich entwickelnde Nervensystem noch nicht so stabil, oder “reif” - wie später, und damit sehr anfällig gegenüber plötzlichen Temperaturschwankungen, aber auch gegenüber anderen Faktoren wie z.B. Virusinfektionen.
Fieberkrämpfe sind ein häufiges Phänomen im Kindesalter und gleichzeitig die gutartigste Form von Krampfanfällen.
Du musst Dir vorstellen, dass etwa 3 bis 4 Prozent aller Kinder im Alter von ca. 6 Monaten bis 6 Jahren mindestens einen Fieberkrampf bekommen. Statistisch gesehen hat also in einer Schulklasse mit 25 Kindern 1 Kind eine Vorgeschichte von Fieberkrämpfen.
Ist ein Fieberkrampf wahrscheinlicher, wenn mein Kind über 40°C Fieber hat?
NEIN, NEIN, NEIN!
Wenn auch nichts anderes aus diesem Artikel hängen bleibt, so hoffe ich aber, dass Du Dich an diese eine Sache erinnern wirst. Die Höhe der Körpertemperatur hat keine besondere Relevanz für die Wahrscheinlichkeit eines Fieberkrampfes.
Fieberkrämpfe treten bei Kindern auf, die eine Veranlagung dazu haben. Meist kommt es zum Krampf, wenn die Körpertemperatur plötzlich und schnell ansteigt. Es ist viel wichtiger wie schnell das Fieber ansteigt (dT für alle die, die Physikstreber waren), als auf seine Höhe.
Sehr oft haben im Moment des Fieberkrampfes die Eltern gar nicht gemerkt, dass ihr Kind Fieber hat - nicht weil es ihnen egal war, aber weil die Infektion erst im Anfangsstadium war und auch sonst kaum Symptome aufgetreten sind.
Mein Mann hatte als Kind Fieberkrämpfe und jetzt stehen wir jedes Mal mit dem Thermometer neben dem Bett, wenn unser Kind krank ist!
In der Tat spielt die erbliche Veranlagung (d.h. wenn Eltern, Onkel, Schwester bereits Fieberkrämpfe hatten) eine wichtige Rolle.
Verständlicherweise ist das für frischgebackene Eltern ein Grund zur Sorge - ich empfehle aber, den Sachverhalt genau andersherum zu sehen (!):
Wenn Vater oder Mutter als Kind Fieberkrämpfe hatten, aber gesund aufgewachsen sind und nun eine Familie gegründet haben, dann sind sie der lebende Beweis dafür, dass sich in den allermeisten Fällen Fieberkrämpfe nicht negativ auf das spätere Leben auswirken.
Ich wiederhole mich... aber das braucht es halt für eine Gehirnwäsche!!!😉
Ich kenne eine Menge Eltern, die als Kind selbst Fieberkrämpfe hatten und heute aber selbst gesunde Eltern von gesunden Kindern sind. Ihre eigenen Eltern leiden teilweise immer noch unter dem Trauma des Fieberkrampfes und der damals leider falschen Therapie. Aber ihre Kinder sind erwachsen geworden, haben einen Beruf und eine Familie - die Fieberkrämpfe haben bei ihnen keine Spuren hinterlassen.
Wenn Du als Kind Fieberkrämpfe hattest, dann liegt die Wahrscheinlichkeit bei 40-50%, dass auch Dein Kind mindestens einen Fieberkrampf durchmachen wird.
Ich empfehle, diesen Umstand realistisch zu sehen, auch wenn im Moment des Krampfes die Welt erst einmal Kopf steht. Wichtig ist zu wissen, dass Dein Kind später trotzdem gesund, erfolgreich und glücklich sein wird - es gibt keinerlei Einschränkungen.
Versteh’ mich bitte nicht falsch - es gibt keine Eltern, für die es eine angenehme Erfahrung ist, wenn ihr Kind aufgrund eines Kurzschlusses im Gehirn bewusstlos ist und sich danach an nichts erinnern kann. Hinzu kommt die psychologische Bürde, wenn unser Kind uns ständig in Angst aufs Thermometer schauen sieht, sobald es krank wird.
Fieberkrämpfe sind also ungefährlich?
Nein, gaaanz so einfach ist es nicht. Es stimmt, dass die überwiegende Zahl der Fieberkrämpfe gutartig ist und keine bleibenden Schäden zu befürchten sind, solange der Krampf nicht länger als 15 Minuten dauert (die sich wie eine Ewigkeit anfühlen). Länger andauernde Fieberkrämpfe werden “komplizierte Fieberkämpfe” genannt - auf diese gehe ich etwas weiter unten ein.
Kinder, die einmal einen Fieberkrampf hatten, haben keine höhere Wahrscheinlichkeit, später eine Epilepsie zu bekommen.
Was ist ein “einfacher Fieberkrampf”?
Ein “einfacher Fieberkrampf” ist ein generalisierter Krampf (d.h. er betrifft beide Körperseiten). Er dauert weniger als 15 Minuten und tritt nicht mehr als einmal innerhalb 24 Stunden auf. Das Wort “einfach” ist ein Fachwort in diesem Fall. Für die Eltern ist es alles andere als einfach, das Ganze durchzustehen - das Kind wiederum, ist bewusstlos und bekommt von alldem nichts mit - zum Glück!
OK. Und was ist ein “komplizierter Fieberkrampf”?
“Komplizierte” Fieberkrämpfe sind zwar seltener als einfache Fieberkrämpfe, aber doch keine Raritäten. Dabei ist nur eine Körperseite betroffen, die Dauer überschreitet 15 Minuten und/oder der Krampf kann sich innerhalb von 24 Stunden wiederholen. Hatte ein Kind einen komplizierten Fieberkrampf, dann ist die Wahrscheinlichkeit für die spätere Entwicklung einer Epilepsie leicht erhöht.
Was kann ich bei einem Fieberkrampf tun?
Ich empfehle:
Trotz allem Ruhe zu bewahren und nicht kopflos zu agieren, als ob die Welt untergeht. Die Welt geht NICHT unter, wie ich weiter oben erklärt habe.
Sorge dafür, dass sich Dein Kind an einem sicheren Ort befindet, sich also nicht selbst gefährdet (z.B. von einem Stuhl fallen und sich evtl. verletzen).
Das Einfachste ist die stabile Seitenlage - auf dem Boden auf der Seite liegend. Entgegen dem, was Du vielleicht gehört hast, solltest Du KEINE Gegenstände in den Mund Deines Kindes stecken (um zu verhindern, dass es sich auf die Zunge beisst) - es besteht KEINE Gefahr, dass die Zunge ernsthaften Schaden nimmt, auch wenn Dein Kind draufbeisst.
Nimm sofort eine Uhr oder Dein Handy, damit Du die Dauer des Krampfes messen kannst. Das ist wichtig, glaub mir. Ohne Uhr verlierst Du total das Gefühl für die Zeit, wenn Dein Kind am Krampfen ist.
Tritt ein Fieberkrampf zum ersten Mal auf, dann solltest Du IMMER ins Krankenhaus gehen. Es geht hauptsächlich darum, dass ein Kinderarzt den Zustand Deines Kindes beurteilt und sicherstellt, dass es sich tatsächlich um einen Fieberkrampf handelt. Der Fieberkrampf wird nicht “geheilt”, vielmehr muss die Ursache des Fiebers gefunden werden.
Was kann man zu Hause machen, gar nichts?
Eltern hören immer noch häufig die Empfehlung, man solle die Temperatur früh senken, damit Fieber gar nicht erst auftritt. Aus riesengrossen Studien wissen wir aber, dass man Fieberkrämpfen damit nicht vorbeugen kann. Mit anderen Worten - hat eine Kind eine Veranlagung zu Fieberkrämpfen, dann spielt es keine Rolle, ob das Fieber mit Medikamenten gesenkt wird, oder nicht.
Ich betreute in der Praxis eine Mami, die ständig drei verschiedene fiebersenkende Medikamente daheim hatte und diese immer wieder nacheinander gegeben hat - sie hat sich eine Riesenmühe gemacht, den nächsten Fieberkrampf zu verhindern - es funktionierte nicht. Ihr Kind hatte bis zur 1. Klasse noch ab und zu Fieberkrämpfe, danach nicht mehr. Ihre Tochter ist heute kerngesund.
Ich denke, dass sagt vor allem etwas darüber aus, welche Angst und Ohnmacht Eltern im Angesicht eines Fieberkrampfes ergreifen.
Im Spital erklären wir, dass Medikamente nicht das Auftreten eines Fieberkrampfes verhindern können. Wenn Eltern Angst haben, dann möchten sie etwas tun, um zu helfen. Das ist normal und menschlich und weder Deine Schuld, falls Du Deinem Kind Medikamente gegen einen Krampf gegeben hast, noch die Deiner Eltern, die vielleicht mit Dir das gleiche gemacht haben.
Wenn Du fiebersenkende Schmerzmittel gibst, dann gib sie für konkrete Beschwerden:
Wenn Dein Kind leidet, dann lindere seine Schmerzen. Es wird mit einem Fiebermittel ruhiger, besser schlafen und vor allem auch besser trinken. Trinken ist bei Fieber ein Schutz vor Austrocknung und so ziemlich das Wichtigste überhaupt.
Wann muss ein Fieberkrampf unterbrochen werden?
Die Kinder erhalten in der Regel beim ersten Fieberkrampf ein Notfallmedikament (Stesolid), das als Mini-Einlauf wie ein Zäpfchen in den Popo gegeben wird. Es gibt auch Tabletten, die unter die Zunge gelegt werden (Epistatus).
Es handelt sich dabei um Beruhigungsmittel, die bei Fieberkrämpfen fast immer wirksam ist. Problematisch daran ist, dass das Kind nach der Gabe dieser Beruhigungsmittel ziemlich….. “gaga” sein wird - dann kann man seinen Zustand schlechter beurteilen.
Im Allgemeinen wird empfohlen, derartige Medikamente nicht vor Ablauf von mindestens 4-5 Minuten nach Beginn des Fieberkrampfes zu verabreichen. Deshalb solltest Du von Anfang an auf die Uhr schauen, um zu wissen, wieviel Zeit vergangen ist. Die meisten Krämpfe enden spontan - also von alleine - vor dem Ablauf von 5 Minuten.
Gibt es natürliche, also nicht-medikamentöse Therapien bei Fieberkrämpfen?
Bei jedem Fieber ist von höchster Wichtigkeit, dass Dein Kind gut trinkt und zumindest ein bisschen isst, damit es nicht unterzuckert wird.
Du kannst das erreichen, indem Du regelmässig und systematisch klare Flüssigkeit verabreichst (Tee, Suppe, mit Wasser verdünnten Fruchtsaft). Das Essen sollte leicht verdaulich sein wie z.B. Suppe mit ein wenig Reis und Gemüse, kleine Mengen Joghurt und Obst.
Homöopathie bei Fieberkrämpfen
Falls Dein Kind regelmässig Fieberkrämpfe hat, dann rate ich, dass Du einen Homöopathen aufsuchst, der Dein Kind mit homöopathischen Mitteln begleiten kann.
In dieser Liste habe ich die häufigsten homöopathischen Mittel aufgezählt, die bei Fieberkrämpfen zum Einsatz kommen.
Homöopathische Mittel ersetzen NICHT die Untersuchung und Beratung durch einen Kinderarzt, können diese aber ergänzen. Für den Hausgebrauch empfehle ich meist die Potenz C30 - häufig werden diese Mittel bereits vor dem Fieberkrampf eingesetzt, wenn z.B. das Kind im Fieberzustand ein Belladonna-Bild zeigt.
Belladonna C30 - Hauptmittel bei Fieberkrämpfen. Krämpfe mit plötzlich hohem Fieber, rotem oder fast violettem Gesicht. Die Pupillen sind weit und das Kind schwitzt stark. Der Krampf wird oft gefolgt von Tiefschlaf und/oder Erbrechen.
Causticum C30 - Fieberkrampf im Schlaf, beim Lachen oder Weinen, schläft nach dem Krampf auf dem Bauch liegend ein. Die Krämpfe werden häufig von einer laufenden Nase, Speichelfluss und Einnässen begleitet.
Chamomilla C30 - Fieberkrampf tritt häufig beim Zahnen auf, wenn die Körpertemperatur ansteigt. Häufig aber nicht immer ist eine Wange deutlich mehr gerötet als die andere. Während des Krampfes verdreht das Kind die Augen und streckt sich nach hinten oder zur Seite.
Cicuta C30 - Bei starken Krämpfen, Kind klammert sich stark an die Eltern. Krampf beginnt im Gesicht und breitet sich auf den ganzen Körper aus. Die Kinder schreien laut, haben Schluckauf und Fieber. Krämpfe werden ausgelöst durch laute Sprache oder andere laute Geräusche.
Nux vomica C30 - Bei starken Erkältungen. Die Kinder frieren und möchten gut zugedeckt werden. Fieberkrämpfe bei ansteigendem Fieber, nach Gabe von fiebersenkenden Mitteln, nach Antibiotika, nach tiefem Schlaf oder bei Brechdurchfall. Eine Besserung tritt ein, wenn wir das Kind fest umarmen (im Gegensatz zu Cicuta). Nux vomica ist besonders empfehlenswert bei wiederkehrenden Krämpfen.
Stramonium C30 - Dem Krampf geht ein Delir (Kind fantasiert im Fieber) voraus. Heftige Krämpfe, die durch Licht, Geräusche oder Berührung ausgelöst werden. STRAMONIUM wird auch bei einseitigen (nur eine Körperhälfte) gegeben.
Viel Erfolg und gute Besserung! 🌷
Dr Susanna