Mit Kindern barfuss in die Welt hinaus
(Ein Gastartikel von Dr. med. Daniel Kemper)
Seitdem ich es zum erstem Mal mit dem Barfussgehen probiert habe, ist bereits einige Zeit vergangen und ich habe buchstäblich einen langen Weg hinter mir. Inzwischen geniesse ich das Gefühl, den Boden unter meinen Füssen zu spüren und finde Schuhe ein in manchen Situationen notwendiges Übel.
Ich bin erst sehr spät zum (fast) schuhlosen Leben gekommen, am besten ist es, wenn man schon als Kind unbeschuhte Erfahrungen in der Natur sammeln kann. Warum Barfussgehen gesund ist und wie man es am besten anstellt, beschreibe ich in diesem Artikel.
Die Natur hat unsere Füsse über Jahrtausende an die Anforderungen unserer Umgebung perfekt angepasst. In dieser Zeit wurde die Anpassung perfektioniert und der Schuh ist sicher nicht das Endstadium dieser Perfektionierung, auch wenn die Werbung uns glauben lässt, dass Hochtechnologieschuhe besser für unsere Füsse sind.
Stelle sicher, dass einige Wege, die Du im Leben nimmst, steinig sind.
- John Muir -
Schuhe sind kurzfristig eine einfache und meist auch bequeme Art, laufend unterwegs zu sein. Sie sind aber sicher nicht die gesündeste und natürlichste Art und wurden auch nicht aus diesem Grund in unseren Alltag eingeführt.
Schuhe waren für viele Jahrhunderte ein Zeichen von Reichtum, von gutem Stand. Die Mehrheit der Menschen lief barfuss und lief gut damit.
Erst im vergangenen Jahrhundert begann die industrielle Massenproduktion der Schuhe, womit sie auch für die Allgemeinheit verfügbar wurden.
Oma und Opa können sich noch an die Zeiten erinnern, in denen sie als Kinder barfuss gelaufen sind. Wir Jüngeren können uns aber fast nicht vorstellen, schuhlos unterwegs zu sein.
Sieht man heute Kinder oder Erwachsene ohne Schuhe in der Öffentlichkeit, dann muss es sich ja um Ökofamilien, Nonkonformisten oder andere Spinner handeln, denn gesund kann das ja nicht sein, oder?
Ich denke, immer mehr Menschen würden es gern einmal probieren und trauen sich einfach nicht. Man hat Angst vor Verletzungen oder einfach davor, was die Leute sagen werden.
Ängste, Vorurteile und Fehlinformationen bezüglich des Barfusslaufens
1. Der Fuss nimmt Schaden
Dem widersprechen inzwischen viele Physiotherapeuten und Orthopäden. Besonders bei Kindern, deren Füsse sich noch entwickeln, kann durch das Laufen ohne Schuhe Fehlstellungen der Zehen und des Fusses als Ganzes vorgebeugt werden.
Eine weitere erwünschte Folge des Barfussgehens ist die Kräftigung der Fussmuskulatur. Je besser diese ist, desto effektiver kann sie als Stossdämpfer beim Laufen agieren. Wenn diese Dämpfer gut funktionieren, dann profitieren davon unsere Gelenke und Bandscheiben.
2. Man kann sich verletzen
Ich selbst habe mich in den vielen Jahren, in denen ich jetzt schon barfuss laufe, noch nie verletzt. Das liegt nicht nur an der dicken Hornhaut, die sich mit der Zeit bildet, sondern auch daran, das man viel genauer auf den Untergrund achtet, auf dem man unterwegs ist. Anfangs passiert das noch bewusst, wird aber bald zur Gewohnheit.
Eine Verletzung ist niemals auszuschliessen, die Wahrscheinlichkeit aber, dass man in einen Nagel oder eine Scherbe tritt, ist gering. Auch als ich noch regelmässig Schuhe getragen habe, musste ich nie einen Nagel oder ähnliches aus der Sohle entfernen.
3. Es ist unhygienisch
Ja, die Hygiene wird in unseren Zeiten gross geschrieben und natürlich haben sich am Ende des Tages Staub und Dreck an den Fusssohlen angesammelt. Auch hier wird das Problem aber überschätzt. Da niemand am Abend mit solchen Füssen ins Bett gehen möchte, ist man sogar jeden Abend zur Fusswäsche geneigt. Das ist ein Genuss, den wir uns sonst nur noch selten gönnen. Hygienischer geht es kaum mehr.
Es ist zudem eine Fehlwahrnehmung, das in Socken und Schuhe eingepackte Füsse hygienischer sind.
Bei diesen müffelnden Füssen kann es abends aber durchaus vorkommen, dass sie nicht gewaschen werden. Gerade wer viel mit Fussschweiss zu kämpfen hat, wird dieses Problem und den damit verbundenen Geruch durch häufiges barfussgehen schnell los.
4. Man kann sich erkälten
Wann und warum wir uns erkälten, sind komplexe Vorgänge und sicher nicht nur auf einen Auslöser zurückzuführen. Wenn man es langsam beginnt und nicht gleich im Winter barfuss vor die Tür stürmt, dann hat das Barfussgehen eher die entgegengesetzte Wirkung - unsere Abwehrkräfte werden gestärkt und wir werden seltener krank.
Argumente für das Barfussgehen
1. Ein Erlebnis für die Sinne
Besonders Kindern möchte ich das Gefühl von feuchter Erde oder Gras unter den nackten Füssen nicht vorenthalten. Im Gegensatz zu uns Erwachsenen gehen Kinder auch ganz unvoreingenommen an die Sache ran.
Wenn man sich nicht gerade am Anfang auf steinige Wege begibt, dann kann man mit der Zeit fast jeden Untergrund mit den eigenen Füssen begehen.
Schon mit den ersten Schritten ohne Schuhe schärfen wir unsere Sinne und merken, dass jeder Schritt anders ist. Und nicht nur das - barfuss spürst Du, wie Du gehst, aber Du hörst nichts. Mit Schuhen ist man schon von Weitem zu hören, spürt aber den Untergrund überhaupt nicht.
2. Training fürs Immunsystem
Das natürlichste und einfachste Abhärtungsmittel bleibt das Barfussgehen.
- Sebastian Kneipp -
Durch die direkte Verbindung zum Boden achten wir nicht nur genauer auf den Untergrund, wir spüren ihn auch. Das gilt auch für die Temperatur. Mal ist es heisser Asphalt, mal ist es kühler Rasen. Ich spüre das immer besonders, wenn ich von den durch die Sonne aufgeheizten Steinen auf die kühlen Fliesen in unserem Haus trete.
Diese Temperaturunterschiede trainieren das Immunsystem genauso wie das Sonnenbad und der anschliessende Sprung ins kalte Wasser oder die Sauna und das darauffolgende Abseifen im Schnee.
3. Gesundes Skelett
Ohne die Schuhe können unsere Füsse die ihnen von der Natur angedachte Aufgabe wieder vollumfänglich erfüllen. Je nach Untergrund balancieren sie unseren Körper optimal aus und dies viel besser als mit Schuhen.
Wir können auf diese Art Schäden der Gelenke und der Wirbelsäule (Arthrosen) vorbeugen. Wer schon derartige Beschwerden hat, wird mit nackten Füssen und einigen Monaten Geduld feststellen, dass die Beschwerden sich deutlich bessern.
Kinder gehen sowieso am Liebsten barfuss
Meinen Kindern musste ich keinen Leitfaden zum Barfussgehen geben. Alle Kinder gehen das ganz locker und instinktiv an, ohne sich grossartig Gedanken darüber zu machen. Sie merken sehr schnell was geht und was nicht.
Es ist sicher keine Überraschung, dass fast alle Kinder lieber ohne Schuhe gehen, laufen und spielen.
Führende Kinderorthopäden empfehlen wärmstens das barfusslaufen ab den ersten Gehversuchen. Die Studienlage zeigt, dass sich Knicksenkfüsse und viele andere Fussfehlstellungen des “modernen” Lebens am Besten durch Barfusslaufen auf verschiedenen Untergründen vermeiden oder korrigieren lassen.
(Und die vielen Schuheinlagen, welche noch in unserer Generation verordnet wurden, bringen maximal etwas gegen die Schmerzen aufgrund von Fussfehlstellungen. Einen heilenden/korrigierenden Effekt haben sie leider kaum.)
Unsere Kinder haben sich das als Vorbild genommen und geniessen den Kontakt zur Erde, wenn man so will. Inzwischen nennt mich unser Sohn ein Weichei, wenn ich im März noch gar nicht barfuss unterwegs war.
Barfusslaufen (wieder) lernen in kleinen Schritten!
Da hilft es im wahrsten Sinne des Wortes, sich in kleinen Schritten auf sicherem Untergrund zu bewegen.
Das kann in etwa so aussehen:
Schritt: im Haus keine Schuhe tragen
Schritt: auf dem asphaltierten Fussweg ohne Schuhe unterwegs sein
Schritt: im Garten auf dem Rasen barfuss spielen
Schritt: im Sand die Schuhe weglassen (z.B. am Strand)
Schritt: Steinige Fusswege an Wiesen - sobald es zusehr wehtut, kann man auf der Wiese laufen
Schritt: Sport ohne Schuhe wie z.B. Tischtennis, Volleyball, Joggen, Tanzen usw.
Schritt: mit der Zeit gibt es keinen Untergrund mehr, den Deine Kinder nicht auch ohne Schuhe meistern könnten!
Und… last but not least: alle diejenigen, die gern das Barfussgefühl möchten, es sich aber (noch) nicht ohne Schuhe vorstellen können, sollten es einmal mit speziellen Barfussschuhen probieren, etwa mit solchen: